Das Publikum gerät sofort selbst ins Visier: In einer ortsspezifischen Videoinstallation zeichnen vier Kameras die Körper im Raum auf und spielen sie ‹live› durch unterschiedliche Projektoren auf die Wand zurück. Man sieht sich selbst sehen, wobei das eigene Abbild ein fragmentiertes und vielfaches ist – und sich entzieht, je näher man ihm aufrückt.
In gross projizierten Szenen aus Museen sieht man sich sehen durch andere: Indem man in die Rückenfiguren schlüpft, auf ihre gezückten Handy-Bildschirme blickt; indem man Weinbergers Kamera-Hand und -Auge folgt, wie sie Frequenzen – Momente der Anziehung und Abwendung – im Zuschauen registriert. Im Hintergrund läuft ein Soundtrack, in dem die Künstlerin a capella Refrains bekannter Lieder rezitiert: eine Komposition aus persönlich-intimem Stimmabdruck, (pop-) kulturellem Code und technologischem Programm.
In der Arbeit Eternally… verschmelzen menschliche und technologische Wahrnehmungsapparate zunehmend. In Kollaboration mit Autorin und Musikerin Fatuma Osman hat Weinberger dafür markante Details von Filmstills mit eigenen Textfragmenten untertitelt und zu einem neuen Storyboard geschnitten. Dieses erzählt vor allem von den komplexen und oft lückenhaften Prozessen der Erinnerungs- und Bedeutungsproduktion: wie diese von kontinuierlichen (Fehl-)Übersetzungen zwischen Bild, Ton und Wort geprägt sind – und von (Kino-)Filmen, die sich in ein individuelles und kollektives Gedächtnis einschreiben.
Frontal begrüssen und verabschieden uns Gesichter auf einer doppelseitigen Leinwand. Es ist eine Collage aus Stockvideos, deren Modelle seltsam vertraut und entrückt zugleich erscheinen. Es ist ein stetes Schwanken zwischen Nähe und Distanz, wenn sich zwei Augenpaare treffen, durcheinander durchblicken, ein Schnitt im Film erfolgt, und das Suchen nach sich selbst und (in) anderen im projizierten Bild auf ein Neues beginnt.
Im Untergeschoss verschiebt sich der Fokus gänzlich auf Sound. Statt sich zu sehen, hören sich Zuschauende hier in einer ‹Portraitgalerie› von Lautsprechern. Dazwischen sind Sensoren montiert, die auf die Körperwärme des Publikums reagieren, das so unmittelbar den synthetischen Soundtrack beeinflusst. Wie das Sehen schärft sich auch das Hören als dynamischer und relationaler Akt: als ein kontinuierliches Ausloten von Resonanzen und Dissonanzen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Körpern.
Here They Come And There They Go beschreibt ein Kommen, Gehen und Wieder-kehren von Körpern und Melodien, Projektionen und Erinnerungen – und wie neue Medien darin mitmischen. Die Ausstellung bringt konsequent Stummes zum Klingen: die Museumsräume, wo Ton in der Regel hinter dem Bild zurücktritt; die Zwischenräume zwischen Menschen und technologischen Begleitern – und schliesslich einen Stein. Auf dem Museumsvorplatz stimmt ein 3,5t schwerer Findling Besuchende auf die Ausstellung ein und aus. Der Findling gibt Ton von innen her wieder, wobei die Eigenheiten des soliden Steinkörpers der ephemeren Tonspur eine einzigartige Stimme verleiht.
Hannah Weinberger (*1988 in Fildernstadt, DE, lebt und arbeitet in Basel) studierte Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie war Mitorganisatorin des Projektraums Elaine (2011– 2013) in Basel und initiierte die Hidden Bar (2018, 2019) auf der Art Basel sowie den Basel Social Club (2022, 2023). Weinberger hat an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen teilgenommen; darunter im Centre d’Art Contemporain, Genf (2019), Centre Culturel Suisse, Paris (2017), Kunstverein Braunschweig (2017), Schinkel Pavillon Berlin (2016), Kunstverein Harburger Bahnhof, Hamburg (2015), MIT List Visual Arts Centre, Cambridge, und Kunsthaus Bregenz (beide 2014), Lyon Biennale (2013, 2023), Kunsthalle Basel und Swiss Institute New York (2012).